Live, online und in Farbe diskutierten vergangene Woche Automotive-Expert:innen bei der Cars & Bytes aktuelle Trends, Herausforderungen und die Zukunft der Autowerkstatt. Juan Hahn, Partner- und Business Development Consultant bei Autowerkstatt 4.0, berichtete beim virtuellen Event über Erfahrungen mit KI und wie Unternehmen sich anpassen können, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Von Ralf Schädel, IT-Redakteur und Projektmanager Cloud Services und Gaia-X bei eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.
Werkstatt 4.0 ist das Schlagwort, wenn aktuell über die Zukunft der Autowerkstätten diskutiert wird. Nicht anders bei der Messe Cars & Bytes in Hannover: In einer Panel-Diskussion erörtere AW 4.0-Vertreter Juan zunächst mit anderen Automotive-Expert:innen die Chancen nachhaltiger und effizienter Produktions- und Arbeitsprozesse in Kfz-Betrieben. In einem anschließenden Exklusiv-Interview bot sich im Zuge eines Livestreams die Chance, das Förderprojekt im Livestream einem großen Publikum zu präsentieren – ein Angebot, das bei den Teilnehmenden auf viel Zuspruch stieß.
Technik verstehen und auf Kunden zugehen
Dominik Wrede, Head of Workshop Solutions bei Continental, stellte Lösungsansätze für die digitale Direktannahme der Kunden vor: „Wir wollen Werkstätten Lösungen an die Hand geben, um die Daten zu verstehen, das Auto transparenter zu machen und die Kommunikation mit den Kunden zu digitalisieren.“ Konkret: Eine bessere Eingangsdiagnose bei Fahrzeugen soll die Möglichkeit bieten, den Bedarf des Kfz zu erfassen und hinsichtlich Wartung und Reparatur proaktiv auf Kunden zugehen zu können.
Trotz Fachkräftemangel: Mut zur Weiterbildung
Kundenbedürfnisse sind auch das Spezialgebiet von Susanne Wilhelm, Head of Customer Experience, Loyalty & Network der ZF Friedrichshafen AG. Sie betonte insbesondere die Auswirkungen des Fachkräftemangels: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Werkstätten jetzt schon Herausforderungen spüren und können absehen, dass noch weitere auf sie zukommen.“ Es gehe also darum, dass sie trotz Personalknappheit den Digitalisierungs-Zug nicht verpassen. Unterstützt werden soll die Transformation durch Trainings und Weiterbildung.
Datensouveränität und Nachhaltigkeit
Wir vereinen Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden mit dem Ziel ein sicheres, offenes und interoperables digitales Ökosystem in der Automobilindustrie zu schaffen“, mit diesen Worten umriss Juan das Projekt AW 4.0. Und führte weiter aus: „Wir entwickeln Datensouveränität und Nachhaltigkeit als neue Währung in der Automobilwirtschaft.“
In der Vergangenheit habe es in der Automobilbranche Probleme wie das Diesel-Gate gegeben, bei denen kurzfristige kaufmännische Entscheidungen getroffen wurden. Es gehe aber nicht nur um ökonomische, sondern um nachhaltige Entscheidungen.
„Wir müssen uns trauen, solche Lösungen zu entwickeln, weil sie auf lange Sicht lukrativer und effizienter sind und die Kunden belohnen“, so Juan. Ein Framework für derartige Lösungen – also die Entwicklung interoperabler Software und Datenräume – biete Gaia-X. Erst durch das Ökosystem werde digitaler Handel mit Daten in einem souveränen und rechtlich geschützten Rahmen möglich, so Juan.
Der Weg hin zur E-Mobilität
Einigkeit herrschte zudem darüber, dass Werkstätten bei ihren Digitalisierungsprozessen auf Social Media setzen sollten. Die nächste Generation der Mitarbeiter sei geradezu prädestiniert, diese Lücke zu füllen und durch ihre Technikaffinität in die Bresche zu springen – und Kanäle wie Youtube oder TikTok zu bespielen. Freie Werkstätten müssten die Chance nutzen, um im Wettkampf mit OEMs mithalten zu können, so der Tenor. Das Ziel: Die heute mit Reparaturen und Wartungen von Verbrennern gut gefüllten Auftragsbücher sollten morgen mit Services für E-Fahrzeuge voll sein.
Netzwerke und KI nutzen
Das Beispiel des Gaia-X-Projekts Catena-X zeigt, welche Rolle dabei gemeinsame Datennutzung und Netzwerke spielen: Unternehmen, die eigentlich Wettbewerber sind, kommen dort zusammen, um gemeinsam an zukunftsfähigen Lösungen zu arbeiten, die sie wiederum wertschöpfend für individuelle Cases einsetzen können. Hier kommt Künstliche Intelligenz ins Spiel, denn sie kann Werkstätten auch bei der Fachkräftesicherung unterstützen.
Genau diesen Ansatz verfolgt AW 4.0 mit der KI-gestützten Fehlerdiagnose. Juan: „Ich wünsche mir einen Aftermarket Data Space, in dem Daten zur Unterstützung der Werkstätten gebündelt werden und der die Datensilos aufbricht.“ Dazu passt auch der Appell von Susanne Wilhelm: „Wenn ein Software-Update oder Service im digitalen Service-Heft nachgehalten werden soll, müssen freie Werkstätten Schreiberechte erhalten, Daten anzupassen.“ Sie rät: Werkstätten sollten sich Partner suchen, die beim digitalen Wandel helfen.
Cars & Bytes-Interview zum heutigen Stand von AW 4.0
Nach einer Präsentation des Projekts AW 4.0 wollte Moderator Lukas Zecher von der Unternehmensgesellschaft „it‘s tuning not racing“ von Juan wissen, wo das Projekt stehe. „Wir sind heute in der Lage, eine physische Messung am Fahrzeug durchzuführen, diese in digitale Daten zu übersetzen und auf einer Plattform zu speichern, so dass ein KI-Entwickler hieraus ein Modell mit Antworten zur differenzierten Fehlerdiagnose entwickeln kann.
Derzeit findet der Rollout in die Werkstätten statt: „Wir wollen am Beispiel der Lambdasonde mit unserem Forschungsprojekt aufzeigen, was auch in vielen anderen Bereichen der Fehlerdiagnose mit dem Einsatz von KI möglich ist“, betonte Juan.
Diesen Ansatz weiterzuentwickeln, ist Aufgabe des Marktes. Auch sei es im Rahmen dieses und anderer Gaia-X-Forschungsprojekte geplant, für diese Ansätze Anwendungsfelder in anderen Branchen wie etwa Health oder Industrie 4.0 zu identifizieren.
Wer die spannende Veranstaltung verpasst hat, kann diese Versäumnis noch korrigieren: Die Panel-Diskussion ist kostenlos online und On-Demand abrufbar.