Die KG Mobility des eco und Autowerkstatt 4.0 haben zum Webinar „Bringt KI der Mobilitätsbranche eine goldene Zukunft?“ eingeladen. Gemeinsam mit den Referenten Prof. Dr. Marco Barenkamp, Vorstandsvorsitzender der LMIS AG, und Maximilian Stein, CEO & Co-Founder bei mmmint.ai, wurden den Teilnehmer:innen Einblicke in wichtige Themen des Werkstattumfeldes gegeben: Die Bedeutung von Daten für die Mobilitätsbranche, die Rolle von KI bei der Wartung von Fahrzeugen und mögliche Perspektiven für KI-Entwickler und IT-Dienstleister hinsichtlich neuer Geschäftsmodelle.
Von Ralf Schädel, IT-Redakteur und Projektmanager Cloud Services und Gaia-X bei eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.
„Multimodalität und Sharing sind derzeit die Buzzwords im Bereich der Mobilitätsdienste“, stieg Hauke Timmermann, Webinar-Leiter und Referent für Digitale Geschäftsmodelle beim eco, direkt in die Materie ein. Die Automobilindustrie erfahre seit Jahrzehnten eine Transformation, die maßgeblich von Themen wie der Vernetzung von Fahrzeugen, Menschen und Infrastrukturen, autonomen Produkten und Mobilitätsdiensten, Sharing-Konzepten und der Elektrifizierung von Antrieben geprägt sei. Neue Geschäftsmodelle für Kunden, Technologien und Daten, die der Ressourcenschonung aber auch dem Fachkräftemangel Rechnung tragen, rücken daher ins Interesse.
Datenzentrierte Anwendungen treffen auf Zurückhaltung
Gerade die Sicherheit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit von Systemen, bei denen eine datenzentrierte Anwendung im Mittelpunkt steht, schenken Infrastrukturvorhaben wie GAIA-X und und deren Use Cases – Autowerkstatt 4.0 und Catena X – große Beachtung. Wie die eco Umfrage aus dem September zeigt – nutzen allerdings weniger als 10 Prozent der Deutschen Shared-Mobility-Lösungen und 60 Prozent der Befragten lehnen die Freigabe ihrer Mobilitätsdaten ab. Es ist also noch Aufklärungsarbeit erforderlich. Ebenso wie im Markt für digitale Services: Hier findet eine langsamere Entwicklung statt als erwartet.
Das Grundverständnis von KI fehlt
Die Impulsvorträge des Webinars und eine anschließende Diskussionsrunde untermauerten die Zahlen. Sie gaben Einblicke in die Einflussnahme von KI – auch von Autowerkstatt 4.0 – auf die Entwicklung von Kfz-Werkstätten. Maximilian Stein, der nicht nur CEO der Kfz-Werkstatt Restemeier sondern auch Co-Founder des digitalen Geschäftsmodells Wirkaufendeinethg ist, entwickelt KI-basierte SaaS-Lösungen für seine eigene Branche. Er berichtete über den Status Quo bei Werkstätten, Autohäusern und kleineren Fuhrparks hinsichtlich KI, über Hemmnisse und spannende Anbindungsfelder für KI-Entwickler und IT-Dienstleister. „Die in der Studie erwähnte Ablehnung der Datenfreigabe sehe ich in einem Zusammenhang mit einem fehlenden Grundverständnis und der Angst vor Neuem.“, sagt Stein.
Autowerkstatt 4.0 dient der Aufklärung
Entscheidend ist die Größe eines Unternehmens. Kleinere Betriebe hätten keine Kapazitäten und ein Skalierungseffekt komme nicht zum Tragen, so Stein. Ein fehlendes Grundverständnis hemmt somit den Einsatz von KI und wird oftmals fehlinterpretiert. KI soll eben nicht Arbeitsplätze ersetzen, sondern beispielsweise bei repetitiven Aufgaben unterstützen. Gerade deshalb seien praxisrelevante Projekte wie Autowerkstatt 4.0 so wichtig, sagt Stein. Bei Schadensfällen kann z.B. auf Basis von Kundenfotos ein automatisierter Kostenvoranschlag erstellt, im Service die optimalen Wartungszeitpunkte durch Predictive Maintenance gefunden und im Verkauf auf Basis von Metadaten ein perfekter Verkaufszeitpunkt für ein Fahrzeug ermittelt werden. Bringt KI der Mobilitätsbranche nun eine goldene Zukunft? „Richtig eingesetzt hilft sie Werkstätten und Autohäusern bei der notwendigen Transformation hin zum Mobilitätsdienstleister.“, so Stein weiter.
Wissen sichern und sich gegen Forderungen absichern
Bezogen auf AW 4.0 sieht das auch Prof. Dr. Marco Barenkamp vom Konsortialführer LMIS so: „Es gibt diverse KI-Anbieter, die auf der Plattform Autowerkstatt 4.0 ihre Modelle und Lösungsansätze anbieten können. Auf der anderen Seite haben Werkstätten die Möglichkeit, diese Angebote über ein Ökosystem vergleichbar mit Amazon abzurufen. Dort kann wiederum Handel betrieben werden.“ Dabei soll Expertenwissen, das in den Werkstätten vorhanden sei, konserviert werden. Auch soll die „First Time Fix Rate“ und die Kalkulation von Reparaturen in den Werkstätten verbessert werden. „Ich kenne einen Fall vom Oberlandesgericht, bei dem eine Werkstatt einem Kunden einen fünfstelligen Betrag auszahlen musste, weil das Kfz nachweislich zu lange in der Werkstatt verblieb.“
Welchen Nutzen hat die Werkstatt von AW 4.0?
Die Bedenken der Werkstattinhaber bzgl. der Freigabe von Mobilitätsdaten – wie eingangs beschrieben – sind somit existenziell. Sie treffen AW 4.0 auch, weil hier Hardware benötigt, Mitarbeiter geschult und ein monatliches Abo abgeschlossen werden müssen, um auf die Daten zugreifen zu können. Welchen Nutzen hat die Werkstatt im Gegenzug zu den „Investitionen“ bei AW 4.0? Der Auslesevorgang eines Fehlerspeichers kann von der Werkstatt betriebswirtschaftlich sinnvoll, ressourcenschonend und für den Kunden nachvollziehbar als Rechnungsposition aufgeführt werden. „Im digitalen Geschäftsmodell hochgeladene, von der Werkstatt generierte Daten, wie z.B. positive bzw. negative Erfahrungsberichte von Reparaturanweisungen oder gemessene Fahrzeugdaten, können außerdem monetär geltend gemacht werden.“, sagt Barenkamp. Einigkeit herrscht darüber, dass das beste Datenmodell nichts taugt, wenn es nicht die Geschäftsprozesse integriert bzw. einen Mehrwert für das Unternehmen bietet.
So digital sind Werkstätten
Die Anforderungen an datengetriebene Geschäftsmodelle sind klar umrissen. Und dennoch: „Ich weiß, dass Werkstätten wenig bis gar nicht vorbereitet sind. In der Werkstatt wird eine andere Sprache gesprochen, Begriffe wie Data Lake oder Computer Vision sind hier Fremdworte.“, berichtet Stein aus seiner Tätigkeit als Werkstattinhaber. „Als wir einen Scanner zur Erfassung von Fahrzeugscheinen eingeführt haben, wussten wir nicht, was uns erwartet.“ Weder, wie die Daten richtig aufbereitet sein müssen, noch welche Schnittstellen und technischen Voraussetzungen das Datenmanagementsystem benötigt. Gleiches gilt für die Datenqualität: „Damit Daten eine erforderliche Qualität besitzen, die notwendig ist, um KI-Modelle anzulernen, muss zunächst ein Bewusstsein für die Wertigkeit von Daten geschaffen werden.“, sagt Barenkamp. „Wollen wir Daten verfügbar machen, benötigen wir zuallererst eine entsprechende Infrastruktur.“ Diese wiederum erfordere Vertrauen in deren Sicherheit. Genau hier sei GAIA-X gefordert.
Datenbesitz ist problematisch
Wem die Daten gehören, über die Datensouveränität herrschen soll, spielt gerade beim Autonomen Fahren eine große Rolle. Es bleibt aber ein strittiges Thema. Anspruch erheben sowohl die Automobilhersteller als auch die Steuergeräteanbieter, Fahrzeugbesitzer und Versicherer. Eindeutig ist die Rechtslage nicht – insbesondere, wenn die DSGVO ins Spiel kommt. „Ein Kunde muss bei uns vor der Reparatur zunächst Dokumente wie die Datenschutzerklärung, eine Auftragsbestätigung, ein Abwicklungsschriftstück, gelegentlich auch Vollmachten unterzeichnen. Diese Bürokratie ist nicht zielführend.“, sagt Stein. Vielmehr komme es darauf an, ein Modell zu entwickeln, von dem Datenbesitzer und -verwerter gleichermaßen profitieren.
Ein- und Weitsicht statt Gesetze
Und die Rahmenbedingungen für das Modell müssen geschaffen werden: „Um der Wettbewerbsverzerrung durch die Nicht-Bereitstellung der Herstellerdaten für freie Werkstätten entgegenwirken zu können, bedarf es weniger eine gesetzliche Regelung. Wichtiger sei, dass die Hersteller erkennen, einen Prozess nicht mehr aufhalten zu können und den Wert ihrer Daten einzuordnen lernen.“, findet Marco Barenkamp. „Mir ist es wichtig, dass der Faktor Mensch nicht vergessen wird.“, sagt Stein. Jemand der sich seit Jahrzehnten ein Wissen aufgebaut habe, sei sicherlich sehr stolz darauf. Ihm zu sagen, dass ihn jetzt ein kleiner Roboter unterstützt, erfordere Kommunikation. Das Webinar sei dafür genau die richtige Plattform.
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