Die Oszilloskop-Messung ist in der Ausbildung unser tägliches Brot

Die Kfz-Fehlerdiagnose gehört in Werkstätten zum Alltag. Seit den 1960er Jahren ist die Oszilloskop-Messung fester Bestandteil der Ausbildung von Mechatroniker:innen. Jan Kunc, Technischer Trainer im Fachbereich Elektrotechnik der Kfz-Innung Schwaben, steht Autowerkstatt 4.0 ausführlich Rede und Antwort, um über die Relevanz des Lerninhalts und die Praxiserfahrungen von Auszubildenden zu berichten.

Kfz-Innung Schwaben: Ausbildung Mechatroniker Oszilloskop


Von Ralf Schädel, IT-Redakteur und Projektmanager Cloud Services und Gaia-X bei eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.

Autowerkstatt 4.0: Herr Kunc, welche Gründe gab es, die Oszilloskop-Messung in die Ausbildung von Mechatroniker:innen aufzunehmen?
Jan Kunc: Das Oszilloskop zählt damals wie heute zu den wichtigsten Messgeräten in der Störungsdiagnose und kann sehr vielfältig in der Kraftfahrzeugelektrik eingesetzt werden. In unserem Berufsbildungszentrum fand das Oszilloskop in seiner ursprünglichen analogen Form seit 1968 schon praxisorientierte Anwendung in den Grund- und Fachkursen. Als Digital-Oszilloskop ist es heute aus dem Fachunterricht nicht mehr wegzudenken.

Wir haben den Einsatz analoger Oszilloskop-Technik sehr früh in den Unterricht eingeführt, weil sich mit ihr eine Signalspannung mit zeitlichem Verlauf grafisch sehr genau darstellen und mögliche Fehler erkennen lassen. Gerade in den 1970er und 1980er Jahren gab es in der Kraftfahrzeugtechnik zahlreiche technische Veränderungen und Weiterentwicklungen. Angefangen beim Saugrohreinspritzsystem über die ersten Ansätze einer frei programmierbaren, digitalen Motorsteuerung bis hin zu Bordcomputern. Diese erforderten, dass nicht nur wir als Kfz-Innung Schwaben, sondern die Kundendienstschulen der Fahrzeughersteller die Digitaltechnik in den Unterricht aufnahmen.

Aus didaktischer Sicht waren das Unterrichten der Oszilloskop-Technik und ihre konsequente Anwendung in der Praxis ein logischer Schritt und zugleich ein wichtiger Ausbildungsgrundstock.

Autowerkstatt 4.0: Welche praxisrelevanten Bereiche der Kfz-Elektrotechnik werden im Rahmen der Aus- und Weiterbildung behandelt?
Kunc: Schon im „Grundkurs elektrotechnische Grundlagen“ (GK1) erhalten die Auszubildenden spezifisches Fachwissen. Beispielsweise werden Einführungsversuche zur elektromagnetischen Induktion mit Hilfe der Leiterschaukel in einem homogenen Magnetfeld durchgeführt, das Erzeugen einer sinusförmigen Wechselspannung in einem Generator durch elektromagnetische Induktion oder der Piezo-Effekt beim Klopfsensor behandelt.

Praxisnah und später im Vorbereitungslehrgang zur Servicetechniker- oder Meisterprüfung im Kfz-Technikerhandwerk relevant ist ebenfalls die breitbandige Anwendung in der Kraftfahrzeugtechnik: Lerninhalte sind unter anderem die Rauschprüfung eines Drosselklappenpotentiometers, das Messen der Oberwelligkeit eines Drehstromgenerators, der Spannungsverlauf einer Lambdaregelung oder Datenbussysteme.

Autowerkstatt 4.0: Mit welchen Inhalten, Übungen und Qualifikationen werden die Auszubildenden speziell für die Oszilloskop-Messung fit gemacht?
Kunc: Die Auszubildenen kommen zum ersten Mal im Grundkurs mit dem klassischen analogen Oszilloskop als Braun´sche Röhre in Kontakt. In diesem Demonstrationsversuch oszilloskopieren sie eine sinusförmige Wechselspannung. Ein weiterführender Fachkurs zu Start- und Ladesystemen sowie der Zündung vertieft den Umgang mit einem Digital-Oszilloskop. Es werden die Generatorspannung gemessen und die Analyse einer Zündspannungs-Kennlinie analysiert. In einem anderen Schwerpunkt zu Motormanagementsystemen bilden wir an modernen Bosch FSA-Testern aus.

Autowerkstatt 4.0: Welche Bauteile werden in folgenden Fachkursen noch behandelt?
Kunc: Es werden unter anderem Signale an der Kurbel- und Nockenwelle, dem Drosselklappenpotentiometer, dem Luftmassenmesser oder der Lambdasonde erfasst und die Messergebnisse anschließend im Plenum besprochen. Die angehenden Mechatroniker:innen beschäftigen sich beispielsweise bei Fahrwerk und Bremse mit dem Wechselspannungssignal eines induktiven Raddrehzahlsensors oder tangieren messtechnisch sehr stark die Leistungs- und Steuerelektronik, den sogenannten Inverter. Durch eine eigens entwickelte Präsentation zum Thema „Messtechnik“ schauen wir uns die einzelnen Einstellmöglichkeiten am Oszilloskop genauer an, klären über die wichtige Funktion eines Triggers auf und vertiefen uns in verschiedene Messbeispiele anhand von Schaltplänen.

Im Fachkurs zu Fahrzeugsystemen üben die Schüler:innen mit dem Universal-Oszilloskop. Mit der Bosch FSA Software zeichnen sie sowohl sensor- als auch aktorlastige Signale auf. Dieser Kurs ist gleichzeitig eine gute Trainingsphase für die Gesellenprüfung und schließt letzte Wissenslücken in der Messtechnik.

Autowerkstatt 4.0: Warum legt die Kfz-Innung so großen Wert auf den Umgang mit der Oszilloskop-Messung?
Kunc: Gerade bei Gesellen-, Servicetechniker- und Meisterprüfungen im Kraftfahrzeughandwerk ist ein sicheres und professionelles Bedienen der Messtechnik, insbesondere der Oszilloskope von enormer Wichtigkeit, weshalb ich persönlich meine Kursteilnehmer immer wieder auf das professionelle Handeln in jeder Hinsicht sensibilisiere.

Wir nehmen das Thema „Messtechnik mit dem Oszilloskop“ sehr ernst. In jedem Fachkurs mit Schwerpunkt Diagnosetechnik ist das Oszilloskop fester Bestandteil – man könnte sagen, dass es unser tägliches Brot ist. Wir haben uns in der Vergangenheit öfter überlegt, einen Fachkurs mit dem Schwerpunkt nur auf das Oszilloskop zu gestalten, sind jedoch zu dem Entschluss gekommen, dass es vor allem didaktisch gesehen, besser ist, immer phasenweise das Oszilloskop als ständigen Begleiter in jedem Fachkurs zu implementieren.

Autowerkstatt 4.0: Herkömmliche Diagnosegeräte gelten als kompliziert bei der Anwendung. Welche Erfahrung haben Sie bei den Auszubildenden gemacht?
Kunc: Ich bin der Auffassung, dass herkömmliche Diagnosegeräte, wie beispielsweise ein Multimeter, keinesfalls kompliziert sind. Ein konventionelles Multimeter besitzt, konstruktiv betrachtet, eine Ein- und Ausschalttaste, eine Hold-Funktion zum Einfrieren eines Messwertes sowie einen Drehwahlschalter zum Einstellen der jeweiligen Messgröße. Es geht uns als Kfz-Innung Schwaben hauptsächlich darum, den Auszubildenden schon im ersten Ausbildungsjahr die Angst vor der Messtechnik zu nehmen. Vielmehr sollen sie eine gewisse Sicherheit im Umgang mit dem Multimeter entwickeln, um das Messgerät künftig fachgerecht anwenden zu können. Das ist nicht nur für nachfolgende Kurse wichtig, sondern auch für den späteren Berufsalltag.

Autowerkstatt 4.0: Welche Schwierigkeiten tauchen am häufigsten im Umgang mit Messsystemen auf?
Kunc: Die Ursachen für einen trägen Einstieg in die Thematik sind unterschiedlich. Meist liegt es am theoretischen Wissen, z.B. durch das Ohm´sche Gesetz elektrotechnische Größen richtig in Relation zu setzen. Gelegentlich sind auch Fehler beim Lesen von Schaltplänen zu beobachten.

Autowerkstatt 4.0: Wie sieht es mit den praktischen Erfahrungen der Auszubildenden in der Werkstatt aus?
Kunc: Mir und meinen Kollegen fällt verstärkt auf, dass Auszubildende in vereinzelten Betrieben relativ wenig Erfahrungen mit dem Multimeter oder dem Oszilloskop sammeln können. Gründe hierfür sind entweder, dass die Betriebe auf elektrotechnische Arbeiten weniger spezialisiert sind oder die Auszubildenen einfach mehr im Kundendienstsektor arbeiten. Gerade in der Räderwechselsaison, in der die Auslastung der Kfz-Werkstätten phasenweise enorm ist, fehlt die Zeit, um komplexere Aufträge mit z.B. elektrischer Störungssuche auch mit einer gewissen zeitlichen Reserve vernünftig einzuplanen. Kleinere Betriebe haben dafür oftmals zu wenig Kapazitäten, Arbeitsbühnen und Spezialisten.

Autowerkstatt 4.0: Welche Bedeutung kann eine KI-gestützte Fehlerdiagnose – wie sie bei AW 4.0 entwickelt wird – künftig bei der Ausbildung haben?
Kunc:
Ich bin der festen Überzeugung, dass durch die von AW 4.0 entwickelte KI-gestützte Fehlerdiagnose jeder Techniker vielfach profitieren wird. Wenn man betrachtet, wie sich die Oszilloskope im Laufe der Zeit verändert haben, stelle ich einen gewaltigen Fortschritt in der Entwicklung fest.

Begonnen hat alles mit der analogen Oszilloskop-Technik. Es folgten die ersten Speicher-Oszilloskope, die später sogar digital erhältlich waren. Nicht zu vergessen, die Möglichkeit eines Signalausdrucks mit einem 24-Nadeldrucker auf Papier. Das war eine absolute Revolution, die allerdings auch einige tausend D-Mark Anschaffung kostete. Gegenwärtig stehen uns erstklassige Geräte unterschiedlicher Hersteller zur Verfügung, mit denen das Arbeiten eine wahre Freude ist. Die KI-gestützte Fehlerdiagnose ist eine Weiterentwicklung. Sie bietet unendliche Möglichkeiten: Angefangen beim Unterricht können über sie Animationen und Simulationen erzeugt werden, die Ausbilder und Auszubildende im Plenum betrachten und besprechen können. Es lässt sich sauberer und effizienterer arbeiten, die Diagnose kann viel besser in die Theorie und Praxis eingebunden werden. Als Dozent erhoffe ich mir durch sie eine bessere Auffassungsgabe für technisch komplexe Fehlerdiagnosen, keine Angst, sondern Spaß beim Messen.

Autowerkstatt 4.0: Wofür würden Sie die Auszubildenden bei einer KI-gestützten Fehlerdiagnose sensibilisieren?
Kunc: Für den Nutzen, den sie einem Autohaus bieten kann. Beispielsweise für eine Steigerung der Transparenz bei der Auftragsannahme, für einen verbesserten Kundendialog und verkürzte Reparaturzeiten sowie für eine Fahrzeugübergabe und Rechnungserklärung, bei denen alle Messungen und Testmodule in virtueller Darstellung offengelegt werden können. Bauteile nicht auf Verdacht auszutauschen, ermöglicht ein professionelles Auftreten dem Kunden gegenüber und schafft eine wertvolle Vertrauensbasis zu Herstellern. Durch eine geniale Vernetzung der Endgeräte ist eine Effizienzsteigerung denkbar, die sich positiv auf das Teiledienst-Management auswirkt.

Unter dem Strich können Werkstätten Unfallschäden besser kalkulieren – vor allem aber bleibt unser Nachwuchs „up to date“.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Über Ralf Schädel
Ralf Schädel ist IT-Redakteur, Referent und Projektmanager beim eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. im Bereich Cloudservices und Gaia-X. Seit mehr als 20 Jahren publiziert und spricht der gelernte Verlagsredakteur im redaktionellen Kommunikationsumfeld von Tageszeitungen wie der Bonner Rundschau und dem Kölner Stadtanzeiger, Verlagen wie dem Medienhaus, in dem er als Redakteur inhaltlich das Fachmagazin IT-Mittelstand verantwortete und für dessen Schwesterpublikation IT-Director er geschrieben hat. Auch bei Agenturen wie Kernpunkt, der Digitalagentur i22 und PR Partner (heute Palmer Hargreaves) sowie in der Unternehmenskommunikation bei der Deutschen Telekom betreute er redaktionelle Themen. Ralf Schädel steuert beim eco insbesondere die Kommunikation der Projekte Autowerkstatt 4.0 und Service-Meister. Sein berufliches Profil: LinkedIn, Xing.