Ein kürzlich gefälltes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) könnte ein erster Schritt sein, um künftig für gleiche Wettbewerbsbedingungen im Bereich der Kfz-Dienstleistungen zu sorgen. Unabhängige Kfz-Betriebe könnten direkten Zugang zu spezifischen Datenströmen und unverzichtbaren Fahrzeuginformationen erhalten, ohne sich durch spezielle „Secure Gateways“ kämpfen zu müssen. Marco Müller-ter Jung, IT-Fachanwalt bei der Grant Thornton Rechtsanwaltsgesellschaft, gibt im Kurzinterview mit Autowerkstatt 4.0 erste Einblicke in diese wegweisende Entscheidung. Als Vorgeschmack auf den am 23. November stattfindenden AW 4.0-Workshop unterstreicht er die Bedeutung eines ausgewogenen Wettbewerbsumfelds, die Auswirkungen für den Aftermarket und den Nutzen für Verbraucher.
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Von Ralf Schädel, IT-Redakteur und Projektmanager Cloud Services und Gaia-X bei eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.
Autowerkstatt 4.0: Welche Auswirkungen hat das EuGH-Urteil auf den Kfz-Servicemarkt und wie beseitigt es technische und finanzielle Hürden für unabhängige Kfz-Dienstleister?
Marco Müller-ter Jung: Das Verfahren vor dem EuGH betraf die Frage, inwieweit die spezifische Typengenehmigungs-Verordnung so auszulegen ist, dass ein Fahrzeughersteller den Zugang unabhängiger Wirtschaftsakteure zu Fahrzeug- und Wartungsinformationen sowie zu On-Board-Diagnosesystem-Informationen, einschließlich eines Schreibzugriffs hierfür, von anderen Voraussetzungen als von denen in der Verordnung bestimmten abhängig machen kann. Das Verfahren wurde von Auto-Teile-Unger (ATU) und Carglass gegen FCA Italy geführt. Im Ergebnis hat der EuGH geurteilt, dass nicht mit dem Verweis auf die Cybersicherheit seitens des Kfz-Herstellers argumentiert werden kann, um für unabhängige Reparaturwerkstätten den Zugang zu bestimmten (Reparatur-) Daten zu beschränken.
Autowerkstatt 4.0: Wie betrifft die Entscheidung die Cybersicherheit und das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Wettbewerb in der Automobilbranche?
Müller-ter Jung: Da Kfz-Hersteller den Zugang zu bestimmten Daten jedenfalls nicht mit der Begründung von Cybersicherheitsanforderungen ablehnen können, führt das Urteil des EuGH im Ergebnis dazu, dass Kfz-Hersteller noch mehr in die Umsetzung von Daten- und Cybersicherheitslösungen investieren müssen, gerade mit Blick auf den Zugriff auf Daten durch Dritte über Diagnose-Ports und weitere Schnittstellen. Indem die Daten- und Cybersicherheit so umzusetzen ist, dass Zugangsansprüche von Marktteilnehmern nicht eingeschränkt werden, wird der Wettbewerb gestärkt, da Verbraucher nicht allein auf regelmäßig teurere Vertragswerkstätten verwiesen werden, und unabhängige Werkstätten sowie andere Marktteilnehmer folglich auch bei modernen, hochdigitalisierten Autos durch Zugang zu bestimmten Daten weiterhin Reparaturen und sonstige Services anbieten können.
Autowerkstatt 4.0: Welche Bedeutung hat dieses Urteil für die Zukunft des Kfz-Aftermarkets in Europa und wie beeinflusst es den Wettbewerb, die Innovation und die Vorteile für Verbraucher?
Müller-ter Jung: Das EuGH-Urteil bezieht sich zwar auf eine sektorspezifische Verordnung, mit der nur der Zugang zu ganz bestimmten Daten des Fahrzeugs geregelt wird. Mit Blick auf den Data Act, dessen Inkrafttreten gegen Ende des Jahres oder Anfang des kommenden Jahres erwartet wird, muss hierin jedoch eine Signalwirkung und Stärkung des Aftermarkets und des Verbrauchers gesehen werden. Es ist zu erwarten, dass der Data Act die rechtlichen Möglichkeiten von unabhängigen Reparaturwerkstätten und weiteren Marktteilnehmern, Zugang zu einer Vielzahl an (technischen) Daten zu erlangen, noch weiter stärken wird.
HINWEIS: Erfahren Sie mehr zu den Auswirkungen des EuGH-Urteils auf den Aftermarkt und diskutieren Sie mit unseren Experten beim nächsten AW 4.0-Workshop. Sie sind herzlich eingeladen, sich hier für „Die Werkstatt der Zukunft – Herausforderungen und Datenschutz im Fokus“ anzumelden. Wir freuen uns, Sie am 23.11.2023 von 10 bis 16 Uhr in Frankfurt am Main zu sehen.
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